In der Elektronikfertigung spielt die Zuverlässigkeit von Leiterplatten eine entscheidende Rolle. Besonders bei Anwendungen, die hohen Temperaturen ausgesetzt sind, ist es unerlässlich, dass die Materialien, aus denen die Leiterplatten hergestellt sind, diesen Bedingungen standhalten können. Ein wichtiger Parameter zur Beurteilung der thermomechanischen Belastbarkeit von Leiterplatten ist die Glasübergangstemperatur, auch als Tg-Wert bekannt. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Bedeutung des Tg-Wertes.
Was ist die Glasübergangstemperatur (Tg)?
Die Glasübergangstemperatur ist ein kritischer Parameter für die Bewertung der Temperaturbeständigkeit von Polymeren. Sie markiert den Übergang von einem spröden, glasartigen Zustand zu einem plastisch, weichen Zustand. Im Kontext von Leiterplatten entspricht die Glasübergangstemperatur dem Punkt, an dem das Harzmaterial, aus dem die Leiterplatte besteht, anfängt, sich zu erweichen und seine mechanischen Eigenschaften zu verändern.
- Tg = Knick- oder Wendepunkt in der Kurve
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Tg ist abhängig vom Vernetzungsgrad der Harzmatrix
(Anzahl der Epoxidgruppen je Molekül) - Je höher der Vernetzungsgrad, desto höher der Tg
- Der Tg-Wert gibt ausschließlich Auskunft über die Dauereinsatztemperatur der Leiterplatte
- Die Werte liegen üblicherweise zwischen 130° C und 260° C
Warum ist der Tg-Wert des Basismaterials wichtig?
Die thermomechanische Belastbarkeit einer Leiterplatte hängt vom verwendeten Basismaterial ab. Basismaterialien setzen sich aus Harzmatrix, Füllstoffen und eingebetteten Glasgeweben zusammen. Die Harzmatrix des Basismaterials erhält ihre endgültige Beschaffenheit beim Pressvorgang der Leiterplatten (Aushärtung der Prepregs). Dabei wird die Harzmatrix einem optimalen Temperatur-Druck-Pressregime unterworfen und es entsteht eine dreidimensional vernetzte Polymerstruktur, welche die erwünschten Eigenschaften hinsichtlich Temperaturbeständigkeit und Festigkeit aufweist.
Tg-Wert Basismaterial und ∆Tg-Wert Leiterplatte
Selbst wenn wir als Leiterplattenhersteller bereits Kenntnisse über den Tg-Wert des Basismaterials vor dem Pressvorgang haben, ist es dennoch wichtig, den ∆Tg-Wert (Delta Tg) der fertigen Leiterplatte zu überprüfen. Der ∆Tg-Wert ist ein Maß für den Aushärtungsgrad der Prepregs nach dem Pressvorgang.
Es gibt mehrere Gründe, warum diese Überprüfung notwendig ist:
Qualitätskontrolle
Die Überprüfung des ∆Tg-Werts der fertigen Leiterplatte dient als wichtiger Schritt in der Qualitätskontrolle. Sie stellt sicher, dass die hergestellten Leiterplatten die erforderlichen thermomechanischen Eigenschaften besitzen, um den Anforderungen der spezifischen Anwendungsumgebung gerecht zu werden. Leiterplatten werden oft in Umgebungen eingesetzt, die hohen Temperaturen ausgesetzt sind, sei es in industriellen Anwendungen, im Automobilbereich oder in der Luft- und Raumfahrt. Die Kenntnis der Tg-Werte ermöglicht es uns sicherzustellen, dass die Leiterplatten den erforderlichen Temperaturen standhalten können, ohne ihre strukturelle Integrität zu verlieren. Eine Leiterplatte, deren Einsatztemperatur ca. 20 Kelvin höher ist, als die Glasübergangstemperatur der Harzmatrix, wird weich und verformbar. Dies kann zu mechanischen Versagenserscheinungen wie Delamination, Rissen oder Bauteilverschiebungen führen, was die Zuverlässigkeit der gesamten Elektronikbaugruppe beeinträchtigt. Durch die genaue Bestimmung der Tg-Werte der Leiterplatten können potenzielle Schwachstellen identifiziert und vermieden werden.
Prozessvariation
Während des Herstellungsprozesses können verschiedene Faktoren zu Variationen führen, die den ∆Tg-Wert der fertigen Leiterplatte beeinflussen können. Dazu gehören Schwankungen in der Presszeit, der Pressdruck, der Aushärtetemperatur und der Materialzusammensetzung. Deshalb werden die drei wichtigen Parameter Presszeit, Pressdruck und Temperatur mit Hüllkurven automatisch überwacht und dokumentiert.
Materialzusammensetzung
Der Tg-Wert des Basismaterials ist eine sehr wichtiger Materialkennwert. Dieser wird bestimmt durch die eingesetzten Materialien, wie Harzsysteme, Füllstoffe und Glasgewebe, die im Herstellungsprozess des Basismaterials zusammengefügt werden. Daher ist es wichtig, den Tg-Wert spezifisch für die verwendete Materialzusammensetzung zu bestimmen.
Kundenanforderungen
Oftmals legen Kunden spezifische Anforderungen an die thermomechanische Belastbarkeit ihrer Leiterplatten fest. Durch die Wahl des richtigen Tg-Wertes des Basismaterials und der Überprüfung des ∆Tg-Wertes der Leiterplatte können wir sicherstellen, dass unsere Produkte diesen Anforderungen entsprechen und die Kundenzufriedenheit gewährleisten.
Methoden zur Tg-Bestimmung
Es gibt verschiedene Methoden zur Bestimmung der Glasübergangstemperatur von Leiterplatten:
DSC - Differential Scanning Calorimetry
Bei der Differenzkalorimetrie (DSC) wird eine Leiterplattenprobe in einem kleinen Aluminium-Tiegel verschlossenen und einem kontrollierten Aufheizregime unterworfen. Die Temperaturveränderung der Probe wird gescannt, d.h. zu jedem Zeitpunkt mit einem Sensor an der Probe detektiert. Mit Hilfe einer Referenzmessung können die Temperaturabweichungen in aufgenommene oder abgegebene Wärmemenge der Leiterplattenprobe umgerechnet werden. Eine Harzmatrix aus Epoxidharz, wie sie am häufigsten bei Leiterplatten eingesetzt wird, zeigt einen typischen Bereich der Wärmeaufnahme (endothermes Verhalten) oberhalb 120° C. Dieser Bereich entspricht dem Erweichungsbereich der Harzmatrix, auch Glasübergangsbereich genannt. Der Mittelpunkt des Bereiches ist als Glasübergangstemperatur (also Tg-Wert) definiert. Wiederholt man den Aufheizvorgang mit derselben Leiterplattenprobe und detektiert dabei eine Verschiebung des Tg-Wertes, dann wird von Nachhärtung gesprochen.
D.h., die untersuchte Leiterplattenprobe war noch nicht optimal ausgehärtet. Auf diese Weise können Pressprogramme in der Leiterplattenfertigung materialspezifisch angepasst und optimiert werden.
TMA - Thermal Mechanical Analysis
Bei der Thermomechanischen Analyse (TMA) werden die physikalischen Eigenschaftsänderungen der Leiterplatte als Funktion der Temperatur unter einer konstanten Last gemessen. Zur Ermittlung des Tg-Wertes wird eine Probe in der TMA-Apparatur eingespannt und kontrolliert erhitzt. Während des Heizvorgangs wird die Dimension oder der Ausdehnungskoeffizient der Probe kontinuierlich gemessen. Typischerweise ändert sich die Ausdehnungsrate des Materials beim Erreichen der Glasübergangstemperatur deutlich: Unterhalb des Tg ist das Material hart und spröde, oberhalb weicher und flexibler. Diese Änderung führt zu einem charakteristischen Knick oder einer Abflachung in der thermomechanischen Kurve, der den Tg-Wert markiert. Das bietet den Vorteil, dass direkte dimensionale Veränderungen des Materials als Antwort auf eine Temperaturänderungen gemessen werden. Daher kann diese Methode sogar mit sehr kleinen Proben durchgeführt werden. Allerdings kann, bei besonders schwachen Übergängen, die Empfindlichkeit der Messung geringer sein als bei DMA und DSC.
DMA - Dynamic Mechanical Analysis
Bei der Dynamisch-Mechanischen Analyse (DMA) wird eine Probe des Leiterplatten-Basismaterials einer oszillierenden mechanischen Spannung unterzogen, während sie kontrolliert erhitzt wird. Die DMA zeichnet dabei die Änderungen in einem Speichermodul (Maß für die Steifigkeit) und in einem Verlustmodul (Maß für die Dämpfung) auf. Ein markanter Abfall im Speichermodul zusammen mit einem Peak im Verlustmodul kennzeichnet die Tg, wo das Material von einem glasartigen in einen gummiartigen Zustand übergeht. DMA bietet also umfassende Informationen über das mechanische Verhalten des Leiterplattenmaterials (Steifheit, Dämpfung) über einen breiten Temperaturbereich und ist sehr empfindlich bei der Detektion von Übergängen, auch wenn diese sehr schwach sind. DMA kann Moduldaten liefern, die für die mechanische Spezifikation nützlich sind. Ein Nachteil ist die vergleichsweise aufwendigere Vorbereitung und Durchführung des Tests. Die Analyse und Interpretation der Ergebnisse kann dabei komplexer ausfallen als bei TMA oder DSC.
- Tg (DMA) > Tg (DSC) > Tg (TMA)
- Richtwert: Tg (TMA) = Tg (DSC) – 10° C = Tg (DMA) – 20° C
- Vergleichsgrundlage in Datenblättern und Veröffentlichungen ist üblicherweise Tg (DSC)
Glasübergangstemperatur vs. Dauereinsatztemperatur
- Faustregel: Arbeitstemperatur = Tg (DSC) - 30 Kelvin
- Je höher der Tg, desto länger bleibt der Ausdehnungskoeffizient über einen größeren Temperaturbereich konstant
- Kurzzeitige Überschreitungen sind zulässig (Herstellung, Löten)
Fazit
Die Wahl der Messmethode hängt stark von der spezifischen Anwendung und den gewünschten Informationen ab. Die Bestimmung von Glasübergangstemperatur und ∆Tg-Wert ist ein wesentlicher Schritt bei der Bewertung der thermomechanischen Belastbarkeit von Leiterplatten. Sie ermöglicht es uns mit Materialauswahl und optimierten Prozessen sicherzustellen, dass unsere Produkte den Anforderungen anspruchsvoller Anwendungen gerecht werden. Durch die genaue Kontrolle dieser Parameter können wir bei KSG hochzuverlässige Leiterplatten herstellen, die bei unterschiedlichsten Bedingungen eine langfristige Leistungsfähigkeit gewährleisten.